Anmod: Nazareth, eine mittlere Stadt im Norden Israels. Jesus von Nazareth wurde dort in einem Stall geboren, hier fand die Verkündigung des Herrn statt – das ist aus der Weihnachtsgeschichte hinlänglich bekannt. Heute ist Nazareth eine moderne Stadt, in der 55.000 überwiegend muslimische und christliche Israelis leben. In Nazareth lebt laut Statistik die größte Gemeinschaft israelische Araber und Palästinenser. Hier wurde auch Yasir Khalaila geboren. Vor 16 Jahren zog er in die Welt. Nicht, um das Evangelium zu verkünden, sondern um Molekularbiologie und Genetik zu studieren. Was daraus geworden ist, hat Yasir Khalaila Dorothea Brummerloh bei einem Treffen in Hannover erzählt.
Blende/ Atmo: Ja, liebe Gäste, herzlich willkommen im Kanapee. Guten Abend. Schön, dass sie da sind. Und heute Abend dürfen sie sich auf 4 Künstler freuen, auf ihr Programm: Das sind eigene Sachen, Klassiker, die vorkommen, es sind Collagen – immer rot, immer trocken – „Spätlese“. Viel Spaß…(Musik setzt ein)
Autorin: Während die Musiker anfangen zu spielen, hüpft der kleine Mann mit der bunten Schiebermütze auf dem Kopf von der winzigen Bühne, drängt sich an Tischen und Stühlen vorbei, stellt sich an den Rand und betrachtet zufrieden sein Publikum. Das sitzt auf gemütlichen Sofas, ißt ein paar Kleinigkeiten, genießt guten Wein – fast wie in einem Wohnzimmer. Und genau diese Atmosphäre lieben die Gäste des „Kanapee“, sagt Yasir Khalaila, seit Sommer der Besitzer dieser einzigartigen Kleinkunstbühne in Hannover. Der Weg von Israel, seinem Heimatland bis ins „Kanapee“ war nicht nur an Kilometern weit, scherzt der 39 Jährige. Als er nach dem Abi zum Studium ging, wollte er auch eine neue Kultur kennen lernen.
Yasir: Und da ging es darum, welches Land interessiert mich dann am meisten. Und in meiner engsten Wahl waren 3 Länder: Frankreich, Deutschland und Schweden. Bei Schweden habe ich gesagt, es könnte sein, dass mir das auf die Dauer zu ruhig ist, bei Frankreich habe ich gesagt, vielleicht ist die deutsche Kultur etwas mehr Kontrastprogramm für meine Kultur aus der ich stamme. Und ich fand letztenendes die Kultur in Deutschland sehr spannend.
Autorin: Denn aus Deutschland stammen viele Komponisten klassischer Musik, der Musik für die Yasir Khalaila schwärmt. Außerdem er hatte auch gehört, dass man in diesem Land ganz gut studieren kann. Also ging er nach Heidelberg, um Genetik zu studieren. Doch das Fach entsprach ganz und gar nicht Khalailas Vorstellungen.
Schließlich wollte er doch was gestalten. Dann eben Landschaftsarchitektur. Also ab nach Hannover. Und dort hat der palästinensische Israeli nicht nur das Gestalten von Landschaften gelernt, er hat auch seiner Idee – Konzerte zu geben, einer Idee, die ihm seit vielen Jahren im Kopf herumspukte, Gestalt verliehen.
Yasir: Schon als ich in Hannover angefangen habe zu studieren, habe ich angefangen, in der geräumigen WG-Küche Klassikkonzerte zu veranstalten. War ein Gastgeber für Musiker. Habe viele Leute eingeladen, die den Spaß Musik mit uns allen teilen könnten und das Ganze habe ich kulinarisch umrahmt und dazu gab es noch eine schönen Rotwein dazu und da war einfach immer hübsche Atmosphäre.
Autorin: Natürlich hat Khalaila auch fleißig studiert und bald hielt er sein Diplom in der Hand. Doch der Beruf des Landschaftsarchitekten hat genau so wenig gepasst wie sein Aussehen zu einem Araber, sagt der 39 Jährige mit dem halblangen Haar, das ihm über die schmalen Schultern reicht.
Yasir: Ein Araber mit roten, blonden Locken und das soll ein Palästinenser sein und dieser Akzent ist ja eher französisch und wie passt das alles zusammen? Wenn ich mal wieder gefragt werde so mit dem Aussehen, da gebe ich die Antwort: Ein englisches Horn hat weder mit England noch mit einem Horn was zu tun.
Autorin: Schlagfertig kontert der Rotschopf bei Klischee-Vorstellungen. Dass die Leute ihn überall, wo er auftaucht für einen Iren halten oder wegen seines Akzentes für einen Normannen, findet er lustig – und er kokettiert damit.
Yasir: Es sind ja die Wurzel da dafür, denn wir wissen ja die Kreuzritter die waren in Israel und die haben da nicht nur gekämpft. Die haben da auch ihre Freizeit verbracht. Und ich denke mal, vielleicht bin ich eine der Spuren aus der Zeit.
Autorin: Und ungewöhnlich ist auch Yasir Khalaila weitere Karriere. Im „Kanapee“ hat er als Koch angefangen. Jetzt hat er das Lokal übernommen und kann hier Konzerte veranstalten. Damit ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Yasir Khalaila ist der Chef einer Konzert- und Kleinkunstbühne. Das ist seine neue Heimat geworden, gesteht Yasir mit seinem gewinnenden Lachen. Und schon schmiedet er neue Pläne:
Yasir: Ich muss einfach einige Veränderungen vornehmen. Es wird auf jeden Fall möglich mit Gestaltungselementen, mit dem Ambiente, mit dem Musikprogramm oder auch kulinarisch – auch da kann man neue Akzente setzen. Ich bin diesbezüglich auch experimentierfreudig und offen für alle Küchen. Die Umgestaltung, die passiert, egal wo, die werde ich mit Sicherheit mit dem Motto „Traditionell“ modernisieren.
Dass Stammgäste sich weiter wohl fühlen und dass man eben junge Leute noch dazu gewinnt. Ich wünschte mir, dass eben diese einzigartige Institution „Kanapee“ weiterlebt und ich wünschten mir, dass ich mit meinem alten Stammpublikum, dass ich jetzt seit Jahren kenne und natürlich mit meinem jungen Publikum, was ich dazu gewinnen möchte, viele zahlreiche Konzerte genießen können und erleben dürfen.
Dieser Beitrag wurde gesendet im Januar 2009